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Die wahre Inflation

Alles, was man über die Inflation wissen sollte.

Warum ist Wissen über die Inflation für uns überhaupt wichtig? Ganz einfach: Die Inflation reduziert unseren Geldwert und damit unsere Arbeitsleistung, wenn wir unser Verdientes nicht sofort in andere Waren und Dienstleistungen umtauschen. Je länger der Zeitraum zwischen Geldverdienen und Geldausgeben ist, desto wichtiger wird die Inflation. Also besonders beim langfristigen Sparen.

Gemessen wird die Entwertung von Geld oder die Preissteigerung von Waren und Dienstleistungen, sprich die „Inflation“ durch den Verbraucherpreisindex (VPI), welcher von der Statistik Austria erhoben wird. Dieser Index wird unter anderem für Lohn- und Pensionserhöhungsverhandlungen oder für die Berechnung unserer Pensionsansprüche herangezogen.

Über die Erhebungs- und Berechnungsmethoden des VPI wird immer wieder diskutiert – meist abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Die einen (Politik, Zentralbanken, Wirtschaft, …) sagen, der erhobene VPI entspricht den Tatsachen, die anderen (Fachbuchautoren, Kritiker, Konsumenten, …) behaupten, dass die tatsächliche Inflation wesentlich höher ist, als der VPI. Im Wesentlichen gibt es vier große Kritikpunkte.

Heiß diskutiert: Die Zusammensetzung des Warenkorbes bestimmt die Inflationsberechnung (CC0)

Heiß diskutiert: Die Zusammensetzung des Warenkorbes bestimmt die Inflationsberechnung (CC0)

Kritikpunkt 1: die Zusammensetzung des Warenkorbs. Werden zum Beispiel Nahrungsmittel- und Wohnkosten geringer gewichtet und steigen diese Kosten höher als der Durchschnitt, kommt es zu Verfälschungen. Gerade Bevölkerungsgruppen mit geringen Einkommen werden bei überproportional steigenden Nahrungsmittel- und Wohnkosten zu den größten Verlierern, weil Ihr Ausgabenanteil dafür wesentlich höher ist als im VPI gewichtet.

Zum Beispiel haben sich Verbrauchsgüter zwischen 2001 und 2011 (Einführung des Euro) um jährlich rund 3 % verteuert*, der offizielle VPI lediglich um knapp 2 %. Das ergibt nach 10 Jahren eine Differenz von über 10 %! Konkrete Einzelbeispiele: Die Halbe Bier verteuerte sich zwischen 1987 und 2013 um 3,66 %*, die Wurstsemmel in 30 Jahren um über 4 %, eine Kugel Eis um über 6 %. Übrigens ein sehr guter Indikator, weil sich viele daran erinnern, was die Kugel Eis in der Kindheit gekostet hat. Rechnen Sie nach. Im letzten Jahr stieg bei uns der Preis von 90 Cent auf einen Euro, ein Anstieg um über 10 %.

Kritikpunkt 2: Die „Hedonische Methode“, bei der ein sogenannter „Lustgewinn“ berücksichtigt wird. Auf Deutsch: Kostet heuer ein Fernseher gleich viel wie im vergangenen Jahr, aber die Pixelzeilen erhöhen sich von 720 auf 1.080, ist das Bild um 50 % schärfer geworden, wodurch der Fernseher in der Inflationsberechnung um 33 % günstiger geworden ist. Auch bei Autos, Computern, Elektrogeräten allgemein, sogar bei Immobilien und Fachbüchern und vielen weiteren Produkten kommt es zu dieser Berechnung.*

Kritiker sehen den Beweis für die bewusste Verschleierung des tatsächlichen Geldwertverlustes darin, dass der „Lustverlust“ nicht berücksichtigt wird. Als Beispiel werden Qualitätsverluste wie bei  Flugreisen oder die bewusste Reduktion der Lebensdauer von Geräten genannt. Die als Obsoleszenz bezeichnete Praxis schmälert natürlich den Wert der Güter enorm, wird aber nicht berechnet.* Bei näherem Interesse dazu lesen Sie ein Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen aus 2014. Online: (PDF; 2,5 MB).

Livermore Centennial Light-Bulb (CC0)

Leuchtet seit 1901 ununterbrochen: Livermore Centennial Light-Bulb (CC0)

Ein geschichtlicher Ausflug zur Obsoleszenz führt uns zur guten alten Glühbirne. In einer stillen Übereinkunft einigten sich 1924 die Hersteller auf eine Haltbarkeit von rund 1.000 Stunden. Technisch durch die bewusste Wahl des Materials des Glühfadens kein Problem. Tatsächlich wäre bereits damals eine 10-fache Lebensdauer möglich gewesen.* Bekannt geworden ist die Glühbirne der Feuerwache im kalifornischen Livermore, die seit 1901 ununterbrochen leuchtet. Herstellungsdatum der Birne war 1890, also lange vor der Vereinbarung! Eine Webcam überträgt nun sogar live.

Kritikpunkt 3: Die Definition von Inflation. Die Mehrheit der Ökonomen sieht in der Inflation den „anhaltenden Preisanstieg“, eine Minderheit sieht in der Inflation das „Aufblähen der Geldmenge“ im Vergleich zur Menge an Gütern und Dienstleistungen. Der Schluss scheint logisch, den das Wort Inflation stammt aus dem Lateinischen Wort inflatio und bedeutet Aufblähen.

Raimund Brichta beschreibt in seinem Buch „Die Wahrheit über Geld“, dass die Inflation, und zwar der Geldmenge, immer die Ursache – der Preisanstieg nur eine mögliche Wirkung ist. Nach dieser Berechnung ergibt sich eine tatsächliche Inflation von über 3 %, da die Geldmenge in den letzten Jahrzehnten um rund 7 % gewachsen ist, das durchschnittliche Wirtschaftswachstum aber nicht mal halb so hoch war. Damit wäre die Inflation längst da, während viele Experten noch diskutieren, ob sie überhaupt kommen wird.

Der Grund, warum sich die steigende Geldmenge noch nicht in steigenden Preise findet, begründet er damit, dass das überschüssige Geld bis jetzt zum Großteil nicht für den Kauf von Waren verwendet wird, sondern in die Finanzmärkte fließt. So „druckt“ die Europäische Zentralbank seit 01.04.2015 monatlich rund € 60 Mrd. neues Geld. Um, wie argumentiert wird, das Ziel von 2 % Inflation zu erreichen.

Ziel ist, dass dieses Geld in der Realwirtschaft ankommt und die gewünschte Wirkung zeigt. Die Grippe (erhöhte Geldmenge = Inflation) ist schon da, das Fieber (Preisanstieg) sollte folgen. Das sollte aber ganz langsam und geordnet passieren. Kritiker sehen hier eine Gefahr und vergleichen es mit Ketchup in einer alten Glasflasche: Man schüttelt, haut auf die Flasche, aber nichts kommt raus. Doch plötzlich ergießt sich ein ganzer Schwall und man hat viel zu viel am Teller. Passiert das so, wären die Folgen nicht abschätzbar.

Kritikpunkt 4: Die Löhne steigen nicht im selben Verhältnis, wie der offizielle Verbraucherpreis. Der offizielle VPI Deutschland stieg seit 1995 um 1,54 %, Löhne wurden hingegen lediglich um 1,16 % angepasst. Daraus ergibt sich eine Einkommenseinbuße zwischen 1995 und 2013 von 8,7 %* – zum offiziellen VPI wohlgemerkt. Der tatsächliche Realverlust dürfte wesentlich höher sein. Daher gilt besonders: Geldwertverlust bedeutet gleichzeitig Arbeitswertverlust und trifft besonders Menschen mit geringem Einkommen.

Anhand dieser Fakten wird klar, dass offensichtlich Interesse besteht, die wahre Inflation möglichst kleinzureden bzw. zu rechnen. Lohn- und Pensionsempfänger verlieren mehr als angenommen. Für Sparer (Verlagerung der erworbenen Kaufkraft durch Arbeit auf einen späteren Zeitpunkt, z.B. Pension) bedeutet diese Erkenntnis, dass Wege gefunden werden müssen, um die reale Inflation zu kompensieren. Das sollten zumindest 3 % sein, der Internationale Währungsfonds (IWF) empfiehlt sogar eine offizielle Inflation von 4 %.

Wie dieses ambitionierte Ziel erreicht werden kann, verraten wir Ihnen gerne in weiteren Artikeln, Videos, Blogbeiträgen.

*Quelle: Finanzfachbuch „Billionaires Club“ von Elmar Weixlbaumer
Bilder Creative Commons CC0, Pixabay

Wolfgang Staudinger

Der akademisch geprüfte Finanzdienstleister (FAF) und staatlich geprüfte Versicherungsmakler Wolfgang Staudinger baut auf über 20 Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche. Mit ungezillmert.com bietet er kritischen Konsumenten interessante Einblicke rund um den Vermögensaufbau, unter anderem für die private Pensionsvorsorge. Vor allem zeigt er kostengünstige und faire Alternativen auf.

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